Nominiert für den Kölner Theaterpreis 2015
Eine deutsch-bulgarische Familiensaga über Fluch und Glück in der Migration

MERRY-GO-ROUND / 2014 - BG - DE (UA)

Foto: ©MEYER ORIGINALS

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Im Zentrum des Theaterepos steht ein Karussell mit seltsam hybriden Wesen zwischen Tier und Mensch. Vier Schauspieler*innen aus Deutschland und Bulgarien entwickeln - von der Mythologie bis ins Heute reichend - eine deutsch-bulgarische Erzählung vom endlosen Trauma der Verletzung und dem ewigen Traum vom (kleinen) Glück im Frieden. Wie von einer geheimnisvollen Macht, der sich niemand widersetzen kann, werden die Figuren von einer Sound-Installation gelenkt, deren Kräfte schicksalhaft das Leben zu bestimmen scheinen - einst waren das die Götter, heute sind es die entfesselten Märkte und die Politik. Dabei dreht sich verheißungsvoll das Karussell - Glücksrad und Schleudersitz in einem.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Hels Bar, wo sich Cherona, Orpheus, Hel und Odin, vier mythologische Figuren aus der antiken und der nordischen Sagenwelt, begegnen. Die Götter sind unsterblich, ihr Schicksal ist vorbestimmt. Es gibt Ungerechtigkeit und schreckliche Erlebnisse, Katastrophen, Flucht, Verbannung. Das Leiden ist so groß, dass es zum Trauma wird, "vergessen" die einzige Chance, es aus der Welt zu schaffen ...

Das Karussell dreht sich - das Stück beginnt. Neues - menschliches - Leben erwächst. Ist es den Generationen gelungen, Leid und Schrecken aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen und einen unvoreingenommenen Weg zu ebnen oder ist nur wieder neues Leid hinzugekommen? Elena, Ruth, Boris und Stefan sind Figuren der Gegenwart, die Entscheidungen treffen und eigene Ziele verfolgen. Sie nehmen ihr Leben in die Hand. Hoffnung blitzt auf.

MERRY-GO-ROUND/2014-BG-DE beschäftigt sich am Beispiel von Bulgarien und Deutschland mit europäischen Migrationsbiografien, den Umständen und Ursachen, warum sich Menschen auf den Weg machen und ihre Heimat verlassen. Der Einfluss historischer Prozesse auf die Identitätsentwicklung bildet sich in den Lebensgeschichten der Figuren ab. Sie alle haben Wünsche und Vorstellungen von ihrem Leben, doch immer wieder werden diese vom Weltgeschehen unterbrochen. Das Stück handelt auch von Gewalt und ihrer Entstehung, von Schuld und den Versuchen von Versöhnung. Es braucht Menschen wie Orpheus, die als Mittler versuchen, Kriege zu verhindern.

Vor allem erzählt MERRY-GO-ROUND/2014-BG-DE die verworrenen Beziehungsgeschichten zweier europäischer Länder und ihrer Menschen, die so wenig voneinander wissen. Menschen, deren Leben geprägt ist von Krieg, Flucht und Vertreibung, den Zeiten des Kalten Krieges und der Euphorie der Wende. Den Figuren des Stückes liegen reale Biografien zugrunde, die das Team in Interviews in Bulgarien und Deutschland gesammelt und in theatralische Rollenfiguren überführt hat. 25 Jahre nach der Öffnung des Ostens erschafft die Inszenierung ein europäisches Stimmungsbild am Beispiel von Deutschland und Bulgarien, einem jungen EU-Mitglied.

In deutscher, bulgarischer und englischer Sprache.

Mit MERRY-GO-ROUND/2014-BG-DE endet der letzte Teil der Trilogie zu Flucht und Migration im 21. Jahrhundert.

Pressestimmen

"Vier umwerfend gute Schauspieler, die genau wissen, was sie tun, und nie gebändigt wirken. Aber sehr viele Wörter. Auch noch ständig in drei Sprachen. Und ein poetisch getexteter, hochkomplexer, ins Mythologische greifender Rahmen, dessen Notwendigkeit man lange nicht einsehen will. Am Ende steht dann Klarheit, bestimmter Ausdruck, versteht man, ist freudig dabei. Aber der Weg ist sehr weit. Merry-GO-ROUND ist ein bilaterales Projekt. Künstler aus Deutschland und Bulgarien beschäftigen sich gemeinsam künstlerisch mit Migration. (...) Der aktuelle Zugriff ist ungewöhnlich, vor allem, weil die rein existenziellen Dinge nicht im Vordergrund stehen. Grausamkeiten und Vertreibungen, Hunger und Krankheiten kommen nur am Rande vor. Es geht um bürgerliche Schicksale, um Deutsche, die in Bulgarien, um Bulgaren, die in Deutschland leben, um Umgang mit dem Fremden und mit der Vorstellung, selbst ein Fremder zu sein."
Andreas Falentin, theater: pur in NRW, 20. November 2014

"Herausgekommen ist ein sensibles Stück über das tiefe Bewusstsein von Menschen und Nationen und seine Unabänderlichkeit. 'Dem Schicksal zu entkommen, ist Sterblichen nicht erlaubt', sagt Hel. Was die Götter nicht richten können, bleibt den Sterblichen als unüberbrückbare Last."
Romy Weimann, Choices, Dezember 2014

"Der Austausch der Vier während der endlos kreisenden Fahrt offenbart den gemeinsamen Traum von einem glücklichem Leben, aber auch die damit einhergehenden Traumata, die das Streben danach mit sich bringt. Hat man über weite Strecken das Gefühl, der stumme Teil einer netten Mitfahrgelegenheit zu sein, kulminieren am Ende doch die Geschichten in einem intensiven Knackpunkt. Ein jeder wird an seiner Achillesferse gepackt und individuelle Verletzungen treten zu Tage. In diesen Momenten ist die Inszenierung am stärksten, der Weg dorthin ist allerdings steinig. (...) Hervorzuheben sind die sehr guten Schauspieler, denen mit dem Gemisch aus Sprachen und Rollen, durchchoreografierten Passagen sowie einer musikalischen Performance einiges abverlangt wird. Unter dem hypnotischen Klangteppich von Sibin Vassilev entstehen außerdem schöne und sinnliche Bilder. Am wichtigsten jedoch bleibt das inhaltliche Anliegen, Verständnis für das Fremde zu schaffen."
Ulrike Bauer, NEUKOELLNER.NET, Januar 2015, Berlin

Credits

Konzept & Künstlerische Leitung: Karin Frommhagen & Rosi Ulrich / Dramaturgie & Text: Rosi Ulrich / Mit: Mila Bancheva / Maria Faust / Oliver Schnelker / Vladislav Violinov / Sibin Vassilev / Bühne & Video: Venelin Shurelov / Musik & Sounddesign: Sibin Vassilev / Kostüm: Elica Georgieva / Choreographie: Nikolina Todorova / Übersetzung & dramaturgische Mitarbeit: Silvia Petrova / Recherche: Elly Nabel / Produktionsleitung: Katja Kettner & Tine Elbel / PR & Öffentlichkeitsarbeit: neurohr & andrä

Eine Produktion vom theater-51grad.com

In Kooperation mit intakt e.V. und demSubHuman Theatre und den PartnernFreihandelszone, ensemblenetzwerk köln und dem Theatre Laboratory SFUMATO

Vorpremiere, November 2014, Theatre Laboratory SFUMATO, Sofia

Premiere, November 2014, Alte Feuerwache Köln

Gefördert durch die Stiftung Mercator, das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, das Kulturamt der Stadt Köln, den Fonds Darstellende Künste e.V. und das Goethe-Institut, Sofia

Gastspiele:

Januar 2015, Heimathafen Neukölln, Berlin

Specials

ON STAGE-INSTALLATION
Vor den Aufführungen ist die Bühne mit ihrem Karussell für das Publikum geöffnet und befahrbar - geeignet auch für Kinder.

POSITIONS
Das Goethe-Institut Sofia veranstaltete im November 2014 in Sofia eine Rahmenveranstaltung, zu der die Professorin Frau Kirloskar-Steinbach von der Universität Konstanz eingeladen war. Ihr Vortrag behandelte das Thema: "Ein Menschenrecht auf Immigration? Einwanderung in liberal verfassten Staaten".

DISCUSSION
Im Anschluss an eine der Aufführungen in Köln lud die Besucherorganisation Freie Volksbühne Köln e.V. zu einem Publikumsgespräch, in Berlin war es das Programm "Theaterscouting".

"Heimat - Migration"
war Schwerpunktthema der Freien Volksbühne Köln in der Spielzeit 2014/15. Die Veranstaltungsreihe fand ihren Abschluss mit einem Gespräch, das die Theater- und Filmmacher*innen mit dem Leiter des Kölner Flüchtlingsrates in der Filmpalette zusammenbrachte, moderiert von dem Politologen Hans-Georg Lützenkirchen.